Psychologie

"Landkarten" zum gegenseitigen Verstehen

Psychologie Psychologie für den Alltag Einheit in der Vielfalt

Psychologie für den Alltag

Einheit in der Vielfalt

Einige werden sich vielleicht fragen: “Was soll denn dieses Thema?” Ich will gleich vorweg nehmen, was mir am Herzen liegt: das Selbstverständnis aller an der Individualpsychologie Interessierten.

Gerade die Individualpsychologie hat schon immer den sozialen Charakter des Menschen herausgestellt und auf sein ständiges Streben nach Zugehörigkeit und nach einem Platz in der menschlichen Gemeinschaft hingewiesen.

Wo wir uns auch hinwenden, überall treffen wir auf Gemeinschaften, seien sie nun religiös, politisch, sportlich, wissenschaftlich, psychologisch, ideologisch oder wie sonst noch orientiert. Aber wenn wir genauer hinsehen, vermissen wir häufig das Gemeinschaftsgefühl im Adler’schen Sinne. Es scheint, daß das Gefühl der Gemeinschaft eher dadurch entsteht, daß man sich nur darin einig ist, worin man sich vom anderen scheidet. Daher haben diese Gruppen auch das Bestreben sich abzugrenzen, gegenseitig zu vernichten. Sobald es dann keinen gemeinsamen “Feind” mehr gibt, machen sich die ersten Auflösungserscheinungen der Gruppe bemerkbar.

Wenn wir selbstkritisch genug sind, so können wir solche Anzeichen auch innerhalb der Anhängerschaft der IP erkennen. Es ist leicht, die IP für unsere negativen Ziele einzusetzen, wie z.B.

  1. eigene Schwächen weg rationalisieren (Entschuldigung)
  2. sich in den Mittelpunkt spielen (Aufmerksamkeit)
  3. sich gegenseitig die Qualifikation absprechen (Überlegenheit)
  4. einander mißachten und verletzen (Vergeltung)

Wir wissen jedoch, daß wir uns auch anders entscheiden können und daß nach Adler die Gemeinschaft eine der Lebensaufgaben für uns Menschen ist. Nur Lippenbekenntnisse genügen nicht!

Daher sollten IP’ler

  1. sich durch Vorleben für eine uneingeschränkte Verbreitung der Adler’schen Ideen einsetzen. Unsere Aus- und Weiterbildungseinrichtungen sollten jedem Interessierten gleichermaßen offenstehen.
  2. den Gesichtspunkt der Gebrauchspsychologie wieder mehr in den Vordergrund rücken. Ohne die Notwendigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse zu schmälern, müßte die praktische Anwendung der IP im Alltag (einem Anliegen der AGAIP) verstärkt werden.
  3. sich ihrer Eigenverantwortlichkeit bewußt sein. Es kommt nicht nur auf die IP an, sondern vor allem auch auf die Reinheit unserer Beweggründe.
  4. offen gegenüber anderen psychologischen Entwicklungen sein. In den letzten zwanzig Jahren haben sich neue psychologische Schulen entwickelt, die mehr mit uns gemeinsam haben, als wir vielleicht wahrhaben wollen. Auch wenn die Adler’sche Ideen älter sind und diese Schulen mit beeinflußt haben, so sollten wir nicht auf sie herabsehen, sondern mit ihnen den gedanklichen Austausch pflegen. Wir können auch von ihnen lernen!

Kein Mensch kann sich rühmen, daß sein Erkenntnisstand das non plus ultra darstellt, und er allein den Stein der Weisen gefunden hat. Aber jeder ist aufgefordert, selbständig seinen eigenen Weg zur Wahrheit zu suchen. Das schließt nicht aus, daß er dabei andere treffen und sich mit ihnen austauschen kann.

Ich habe mich immer gewundert, warum die meisten Menschen, die mir in meinem Leben begegneten (und das sind in 50 Jahren schon eine gaze Menge), eine so große Scheu hatten, sich mit den Ideen anderer auseinanderzusetzen. Ich sage mir immer: entweder werde ich in meiner Auffassung bestärkt, oder ich lerne etwas dazu. Ich gewinne also immer, wenn ich offen bin.

Seit ich es mir denken kann, stelle ich meine Lebens- und Weltanschauung nach der Puzzle-Methode zusammen. Wenn ich eine neue Information bekomme, versuche ich sie an schon vorhandene Informationen anzulegen. Manches passt und manches passt überhaupt nicht. Da ich aber beim Puzzle davon ausgehen kann, daß jedes Stück irgendwie passen muß, wäre es töricht, nicht passende Teile wegzuwerfen, weil dann mein Puzzle nie vollständig werden könnte. Also hebe ich sie auf, bis mir eine neue Idee kommt, wie ich die Information einbauen könnte. Manchmal dauerte das Jahre, aber letztlich klappte es doch.

Wenn wir es recht überlegen, so ist doch allen Menschen gemeinsam, daß sie -bewußt oder unbewußt- vor so einem Lebenspuzzle sitzen. Wenn wir weiter bedenken, daß es nur eine Wahrheit geben kann, aber unendlich viele unterschiedliche Wege dorthin führen, so dürfte es doch gerade uns IP’lern am leichtesten fallen, genügend Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, um den Bruderzwist über den richtigen Weg zu beenden und uns dafür an der Mannigfaltigkeit der Wege erfreuen und daraus unseren Nutzen ziehen. Unser Wissen sollten wir nicht dazu mißbrauchen, künstliche Gräben aufzureißen und unterschiedliche ideologische Positionen zu verteidigen.

Bei allem was wir tun und wofür wir uns engagieren, sollten wir uns immer vor Augen halten, was Erik Blumenthal schon 1974 auf dem Engadiner Kollegium vorgetragen hat: “Die Tat, die nicht zur Einheit führt, ist nicht die richtige Art von Tat.”

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