Psychologie

"Landkarten" zum gegenseitigen Verstehen

Psychologie Psychologie für den Alltag Vom Umgang mit Unterschieden

Psychologie für den Alltag

Vom Umgang mit Unterschieden

Wer in seiner Schulzeit den Physikunterricht nicht geschwänzt hat, der weiß vielleicht noch, daß in der physikalischen Welt alles nach dem Ausgleich von Differenzen strebt. So gleichen sich z.B. Temperaturunterschiede aus, indem Wärme vom wärmeren Teil zum kälteren fließt. Man kann auch sagen, daß in der physikalischen Welt alles nach dem Zustand größter Unordnung strebt.

Nicht so in der lebendigen Welt! Lebewesen schaffen Unterschiede, grenzen sich ab, schaffen sich Identität und ordnen die Welt. Man kann auch sagen, ein Lebewesen ist eine Differenz, es verkörpert geradezu seine Differenz zur Umwelt!

Weil für Lebewesen - und deshalb auch für uns Menschen - das „unterscheiden können“ so wichtig, ja lebenswichtig ist, deshalb sind vermutlich auch alle unsere Sinnesorgane auf Differenzerkennung ausgelegt. Wir sind beispielsweise in der Lage, feinste Unebenheiten aufzuspüren, wenn wir unsere Finger über eine Fläche gleiten lassen. Oder wir können Gerüche wahrnehmen, selbst wenn sie in extrem hohen Verdünnungen vorhanden sind.

Daher ist es kein Wunder, daß wir auch unser Bewußtsein im Laufe unseres Lebens darauf trainiert haben, Unterschiede zu erkennen. Das ist einerseits natürlich sehr wichtig, um uns in der Welt zu orientieren und zu entscheiden, was für uns richtig ist. Andererseits hat das aber auch fatale Folgen: Durch die Bevorzugung der Differenzierung haben wir den Blick für das Ganze verloren. Wir entscheiden uns ständig (bewußt oder unbewußt) zwischen Alternativen. Wir identifizieren uns mit einem Teil der Welt, den anderen lehnen wir ab: „das würde ich nie tun!“, „so darf man das doch nicht machen!“ Dabei „vergessen“ wir, daß unsere Wahrnehmung und Einstellung mit unserer Entwicklungsgeschichte zu tun hat: unsere Einschätzung, was richtig oder falsch ist, kommt aus unserer eigenen subjektiven Wirklichkeit, die wir uns aus Unterscheidungen zurechtgezimmert haben. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun.

Erkenntnis ist zwar an Unterscheidung gebunden, aber daraus folgt nicht, daß wir uns als Richter über andere aufspielen können. Wir sollten uns bewußt machen, daß andere Menschen eine andere Entwicklungsgeschichte haben und deshalb in einer anderen Welt leben. Aber keine dieser subjektiven Welten ist die richtige, denn keiner von uns sieht das Ganze!

Fragen des Lebens kann man nicht einfach mit „richtig“ oder „falsch“ beantworten. Sie bleiben solange unentscheidbar, bis wir Farbe bekennen. Erst wenn wir bereit sind, die Folgen für unsere Entscheidung zu übernehmen, sind wir fähig zu handeln. In unserer subjektiven Welt müssen wir uns entscheiden, um leben zu können. Ob wir uns für das eine und andere entscheiden, liegt nicht in der Natur der Dinge, sondern ist abhängig davon, wie wir als Beobachter die Sachlage einschätzen. Andere Menschen hätten sich vielleicht anders entschieden. Wer zur Erkenntnis des Ganzen gelangen möchten - soweit uns Menschen das überhaupt möglich ist - hat nur eine Chance: er muß sich dem Rest der Welt öffnen. Er muß zulassen, daß es andere Welten gibt, die seines Partners, seiner Kinder, seines Chefs usw. usw. Unterschiede müssen nicht zur Trennung führen. Unterschiede sind das Lebenselexier alles Lebendigen und die Grundlage jeglicher Individualität. Beginnen wir doch einfach damit, Unterschiede schätzen zu lernen, ja sie regelrecht zu zelebrieren und die Einheit der Welt in ihrer Vielfalt zu sehen!

Besonders wichtig ist es daher, darauf zu achten, wie wir mit unseren Kindern umgehen. Eltern sehen die Welt mit anderen Augen als Kinder. Eltern haben mehr Erfahrungen und für die Zukunft ihrer Kinder natürlich auch Wünsche und Vorstellungen. Sie möchten nicht, daß ihre Kinder die gleichen Fehler machen, wie sie selbst. Um sie davor zu bewahren übernehmen Eltern auch da Verantwortung, wo ihre Kinder schon selbst Verantwortung tragen sollten und verhindern damit, daß ihre Kinder eigene wichtige Erfahrungen machen können. Und das häufig auch noch, wenn ihre Kinder längst erwachsene Söhne und Töchter sind. Diese sind dann hauptsächlich damit beschäftigt, sich gegen ihre Eltern zu wehren, um ihre Identität zu finden. Und sie müssen eine Differenz schaffen, wenn sie ihre Identität finden wollen. Helfen wir ihnen dabei!

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